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Kundenwünsche - keine Treiber von Innovation

Der Text betont die Notwendigkeit für Unternehmen, nicht nur auf die aktuellen Kundenwünsche zu reagieren, sondern innovative Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Kunden sind oft nicht in der Lage, sich zukünftige Bedürfnisse vorzustellen. Unternehmen sollten daher kreativ sein und neue, unerwartete Lösungen bieten.

Kundenwünsche - keine Treiber von Innovation

Liebe Freunde der unternehmerischen Zukunft, der digital-intelligenten Welt, der virenfreien Kommunikation,

zu den Mantras des Marketings gehört auch in diesen Corona-Tagen wieder, im Sinne des Kunden zu denken. Was der Kunde will. Was er möchte. Was er träumt. Was er ersehnt. Neue Customer Touchpoint Manager werden ernannt, sie ersetzen die Customer Centricity Manager, die sich wohl irgendwie nicht bewährt haben. Die Customer Journey wird abgeritten, ohne dass man so genau wüsste, wo sich der Kunde im Dickicht zwischen online und offline gerade befindet. Nachdem auch die Gehirnforschung mit ihren Einblicken in die innersten Nervenbahnen des Kunden diesen nicht final entschlüsseln konnte, regt sich inzwischen mein eigener innerer Bremsnerv. Immer wenn zu viele Menschen dasselbe sagen, beginne ich daran zu zweifeln, dass es richtig ist, was sie sagen und denken.

Nun scheint der Satz, im Sinne des Kunden zu denken, so selbstverständlich wie der Satz, dass der Mensch atmen muss, um zu überleben. Vor allem ist er heilsam, weil er die Selbstverliebtheiten vieler Unternehmen und Produktmanager hilft aufzubrechen, die nicht gemerkt haben, dass die Zeit an ihrem Produkt schon lange vorbei gelaufen ist und man sich etwas Neues einfallen lassen muss - sowohl was das Produkt, das Design, die Vermarktung und den Vertrieb angeht. Und doch scheint es genau anders herum zu sein: Die Fixierung auf das, was der Kunde will, setzt keine Innovationen frei. Denn so traurig es ist: Der Kunde will meist nur das, was er hat und gerade bekommen kann. Der Kunde ist ein wenig kreatives Wesen. Der Kunde denkt Zukunft nicht voraus. Kein Mensch hat vor Jahren vor seiner Schreibmaschine gesessen und geklagt, wie schön es jetzt wäre, wenn man einen Computer mit einfacheren Tasten hätte. Niemand hat das Internet herbeigesehnt, niemand das selbstfahrende Auto. Niemand einen 3D-Drucker, niemand das Handy, niemand Netflix, niemand Drohnen oder einen Lieferservice bei REWE oder EDEKA. Erst als es da war, haben wir gesagt: Oh ja, ganz nett. Wieso sind wir darauf nicht schon früher gekommen?

Marketingstrategen laufen bei mir stets gegen die Wand. Auf die Frage, was ich in der Zukunft möchte, weiß ich keine Antwort. Ich kann es nicht sagen. Ich kann mir die Zukunft nicht vorstellen. Ich brauche jemanden, der sie für mich vorausdenkt - und werde mich entscheiden, wenn ich das Neue vor mir sehe. Ich wünsche mir deshalb keine Unternehmen, die meinen Ist-Zustand psychologisch tiefensezieren, sondern Unternehmen, die für mich die Zukunft vorausdenken. Die nicht wissen wollen, was ich HEUTE will, sondern mir Angebote machen, was ich morgen wollen könnte. Offenbar führt die Konzentration auf die Kundenbedürfnisse des Heute und Jetzt zu einer ziemlich statischen Perspektive, weil sie immer nur das abbildet, was gerade ist. Der Ist-Zustand verträgt zwar kleine Stellschrauben am Produkt, am Marketing und Vertrieb - der heutige statische Blick schließt aber keine Türen auf zu durchgreifender Innovation, zu Erfindungen, zu Moonshots oder relevant neuen Ideen. Diese gelingen nur, wenn ich weit über die statistisch erhobenen Kundenwünsche hinaus denke.

Für Unternehmen bedeutet das ein grundsätzlich anderes Verständnis ihrer Rolle in der Gesellschaft: Ihre Kernaufgabe ist es nicht, dem Kunden jeden Wunsch von den Augen abzulesen, denn - wie gesagt - diese Wünsche sind ziemlich statisch, deren Fantasie und Kreativität ausgesprochen begrenzt. Unternehmen selber müssen die eigentlichen Kreatoren der Zukunft werden. Von ihnen erwarte ich die disruptiven Ideen, erwarte ich das, worauf ich nie gekommen wäre, dass man es mal brauchen könnte. Der Schmelztiegel der Wünsche liegt nicht in meinem Kundengehirn, sondern in den Büro- und Denkräumen jedes Unternehmens. Der Wunsch des Kunden darf einem Unternehmen nicht heilig sin. Im Gegenteil. Zukunft werden wir nur hinkriegen, wenn wir den Mut haben, uns einzugestehen, dass der Wunsch des Kunden nicht viel zählt. Was zählt, ist unsere unternehmerische Fantasie. Eine Fantasie, die für den Kunden einen Vergnügungspark hinbaut mit Attraktionen, die er noch nie gesehen hat. Ein Wunschkabinett des wirklich Neuen. Das einzahlt auf seine elf Grundbedürfnisse (auf die ich im nächsten Newsletter eingehen werde). Nur dann wird das gelingen, was sich Unternehmen immer erhoffen: Begeisterung, Loyalität, Aufbruch, Treue. Was für eine schöne neue Welt.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall ein gesundes, vernünftiges und mutgetriebenes Denken

Ihr/Euer Dr. Klaus-Ulrich Moeller

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