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Der Wendepunkt

„ABER WAS SOLL ICH MEINEM TEAM DENN VERDAMMT NOCH MAL SAGEN?“

Wir stehen abends an der Bar, der CFO eines global tätigen Unternehmens und ich. Der erste Tag unseres großen Leadership-Workshops liegt hinter uns. 150 Mitarbeitende, ein riesiger Raum, Flipcharts, Plakate, Pinnwände – voll mit Prozessen, Ideen, Formaten. Und trotzdem: der Core fehlt.

Denn was bisher nicht ausgesprochen wurde, ist das, was alle längst spüren. Das Unternehmen steht vor einem tiefgreifenden Wandel – alles wird sich verändern. Und der CFO hat noch kein Wort dazu gesagt.

Er wirkt erschöpft. Zerrissen. Und dann schaut er mich an – fast flehend – und sagt:
„Aber was soll ich ihnen denn sagen? Ich weiß es doch selbst nicht.“
Ich atme durch, lege ihm die Hand auf den Arm und sage:
„Dann sag genau das.“

Am nächsten Morgen treffen wir uns im Raum. Er sieht mich an und nickt. Ich räume ihm einen Slot frei, organisiere einen Stuhlkreis. 150 Menschen holen sich Stühle von den Seiten, setzen sich um ihren CFO, schauen irritiert.

Dann spricht er.
Und zwar von allem, was ihn bewegte seit dem Moment, als er von der Veränderung erfuhr. Von der anfänglichen Ungläubigkeit, der anschließenden Angst um seine jahrelang aufgebaute Karriere, der Sorge um sein Team, von den vielen schlaflosen Nächten, den körperlichen Symptomen.

Er spricht von den Gesprächen mit seiner Frau. Von den Gedanken, alles hinschmeißen zu wollen. Und dann spricht er von dem Moment, der alles verändert hat:
Dem Moment, in dem er sich entschieden hat, an Bord zu bleiben. Zu kämpfen. Zu führen.

„Ich weiß nicht, wie es ausgeht. Ich kann euch keine Garantie geben. Aber ich bleibe. Ich kämpfe. Und ich werde alles geben, damit wir gemeinsam da durchkommen. Das ist mein Versprechen. Und ich verstehe jeden, der keinen Bock darauf hat. Ich verstehe jeden, dem das nicht reicht. Und ich brauche jeden, der sagt: Okay! Ich bin dabei! Ich packe mit an.“

In diesem Moment verändert sich die Energie im Raum. Was vorher schwebte, ist jetzt greifbar.
Er hat sich in die Karten schauen lassen, er hat die Hosen runtergelassen. Und genau das verändert alles. Denn plötzlich ist da etwas Neues: Verbindung. Vertrauen. Und – Zuversicht.
Diese Szene war der Wendepunkt. Danach konnten wir erstmals wirklich über Change sprechen.

Ich legte später eine große Change-Kurve auf den Boden – ein Seil, das die emotionale Achterbahn in Veränderungsprozessen symbolisiert. Und lud alle ein, sich dort zu positionieren:
Vom Widerstand über Schock, Verneinung, Einsicht, emotionale Akzeptanz, Ausprobieren bis hin zur Integration.

Und die Mitarbeitenden stellen sich auf, sprechen aus, machen transparent, was in ihren Köpfen war. Sie werden gehört, und das tut gut.
Es wird gesprochen. Gelacht. Und vor allem: wieder gedacht.
Manchmal reicht ein einziger Moment der Wahrheit, um Zuversicht neu zu entfachen.

Woran erkennt man, dass Führungskräfte keine Zuversicht haben?

Zuversicht ist nicht immer laut. Aber ihre Abwesenheit ist spürbar.
Vor allem in der Führung. Führungskräfte, die keine Zuversicht ausstrahlen, wirken häufig zögerlich. Entscheidungen werden vertagt, Kommunikation bleibt vage, die Energie im Team sinkt.

Statt Orientierung zu geben, senden sie Unsicherheit – manchmal zwischen den Zeilen, oft auch ganz direkt.

Anzeichen können sein:

Der Fokus liegt auf Problemen statt auf Lösungen.

Der Blick geht zurück statt nach vorn.

Transparenz fehlt.

Gespräche verlaufen defensiv, nicht verbindend.

Entscheidungen werden im stillen Kämmerlein getroffen.

Der Körper spricht: Unruhe, Anspannung, Müdigkeit.

Denn Zuversicht zeigt sich nicht nur in Worten – sondern vor allem in Haltung, Ausdruck und Präsenz.

Auch unser CFO hatte diesen Weg zu gehen. Im Privaten war er schon einen Schritt weiter: Das Gespräch mit seiner Frau, die emotionale Auseinandersetzung mit seiner Angst, seine Entscheidung, nicht einfach aufzugeben – all das hatte er durchlebt.

Doch in seinem inneren Führungsbild gab es einen GAP:

„Eine Führungskraft muss wissen, was zu tun ist. Sie muss die Richtung kennen.“

Aber er kannte sie nicht. Und genau das hinderte ihn daran, seine Zuversicht zu zeigen – weil er glaubte, dass sie nur mit Gewissheit einhergehen darf.

Erst als er diese Hürde genommen hatte, als er sich vor seinem Team der eigenen Unsicherheit stellte und offen sagte:

„Ich weiß es nicht. Aber ich bin bereit, mit euch da durchzugehen.“

– erst dann konnte Zuversicht wirklich Raum nehmen.

Diese Zuversicht war nicht künstlich erzeugt, sondern tief verwurzelt.
Authentisch. Spürbar. Und deshalb übertrug sie sich.

Sein Team spürte die Erleichterung. Und folgte ihm – nicht, weil er alle Antworten hatte.
Sondern weil er bereit war, mit ihnen gemeinsam die Fragen zu tragen.

Woran erkennt man Zuversicht? Und warum ist sie so entscheidend?

Zuversicht ist nicht laut.
Sie muss nichts beweisen. Aber wenn sie da ist, verändert sie alles.

Man erkennt sie an:

Der inneren Ruhe inmitten der Unruhe

Klarheit, wo andere Chaos sehen

Der Bereitschaft zu sagen: „Ich habe keine Garantie – aber ich gehe los.“

Eine zuversichtliche Führungskraft strahlt Vertrauen aus – nicht, weil sie alle Antworten hat,
sondern weil sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und sich sichtbar zu machen.

Und das hat eine enorme Wirkung. Denn Menschen orientieren sich. Immer.

Wir sind Herdentiere

Und wir schauen reflexhaft auf die Person, die am höchsten in der Hierarchie steht.
Ob im Unternehmen oder in der Wildnis – das Muster ist tief in uns verankert.

Schon als Jäger und Sammler mussten wir erkennen:
Wenn jemand in Panik gerät und lossprintet – dann besser mitlaufen.
Und wenn es die führende Person des Tribes ist? Dann keine Zeit verlieren.

Deshalb wirken Emotionen ansteckend

Unser Gehirn ist mit sogenannten Spiegelneuronen ausgestattet – sie helfen uns, die Gefühlslage unseres Gegenübers unbewusst zu erfassen.
Wir scannen Körpersprache, Mimik, Stimme – und übernehmen, was wir wahrnehmen.

Wenn eine Führungskraft also mit Gelassenheit, Offenheit und Energie auftritt, überträgt sich genau das aufs Team.
Wenn sie verunsichert, hektisch oder distanziert wirkt – auch das.

Nicht, was Führungskräfte sagen, ist entscheidend. Sondern wie sie sind.
Welche Energie sie aussenden. Welche Präsenz sie haben.

Und genau deshalb ist Zuversicht so mächtig:
Sie wirkt – bevor Worte gesprochen sind.

Wie kommen wir in die Zuversicht?

Wie entsteht Zuversicht?

Zuversicht ist trainierbar.
Und sie beginnt nicht im Team oder im Unternehmen.
Sie beginnt bei der eigenen Haltung und Selbstführung.

1. Growth Mindset – Ich kann das NOCH nicht

Das Konzept des Growth Mindset (Carol Dweck) basiert auf der Idee, dass wir durch Anstrengung und Lernen wachsen können.
Wer sagt „Ich kann das NOCH nicht“, öffnet sich für Entwicklung – statt in Angst zu verharren.

2. Selbstführung durch Achtsamkeit

Regelmäßige Meditation (z. B. 15 Min. täglich) hat laut Barbara Fredrickson nachweislich positiven Einfluss auf Resilienz & emotionales Erleben.
Achtsamkeit – bewusstes Atmen, Innehalten, digitales Detox – bringt uns aus dem Alarmmodus zurück in die Selbstwirksamkeit.

3. Erfolgstagebuch & Visualisierung

Schreib dir auf, was du schon alles geschafft hast.
Stell dir eine Slide oder ein Poster mit deinen größten Meilensteinen zusammen.
Häng es auf oder rahm es ein.
Das erinnert dich an deine Kraft!

4. Kalte Duschen & Eisbaden

Bei hoher innerer Anspannung oder starker Neurotizität wirkt Kälte beruhigend, klärend und erdend.
Wer sich morgens einer kalten Dusche stellt, startet gestärkt in den Tag.

5. Gedanken nicht für Realität halten

Nicht alles, was du denkst, ist wahr.
Beobachte deine Gedanken. Stell sie infrage.
Und entzieh ihnen die Macht.
Nur wer den Lärm im Kopf reduziert, kann die eigene Stimme wieder hören.

Fazit: Zuversicht ist ein aktiver Prozess

Zuversicht ist nichts, das nur „einigen wenigen“ zufällt.
Für die meisten ist sie eine Kraft, die aufgebaut werden muss.
Wie ein Muskel, der mit regelmäßigem Training wächst.

Und zuversichtliche Führung ist ansteckend.
Sie verändert nicht nur das eigene Leben – sondern das der Teams, Mitarbeitenden, Familien!

Das Wichtigste:

Zuversicht beginnt nicht bei der Veränderung der Welt um uns herum,
sondern in der Veränderung der eigenen Haltung.

Der Weg zu echter Zuversicht beginnt damit,
die Kontrolle über die eigene Reaktion auf Herausforderungen zu übernehmen
und Veränderungen mit einer positiven, lösungsorientierten Einstellung zu begegnen.

Schließlich:
Wir leben sicher.
Es gibt keinen Krieg. Es geht nicht um Leben und Tod.
Beruflich geht es NIE darum. Es geht um Jobs. Um Veränderung. Um Wachstum.

Und wir sind in der glücklichen Lage, diese Veränderung mitzugestalten.
Dafür dürfen wir dankbar sein.

Deshalb sage ich meinen Kindern immer wieder:

„Es geht immer gut aus.
Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht fertig.“

ÜBER VAYA WIESER-WEBER

Vaya Wieser-Weber ist Vortragsrednerin, Co-Geschäftsführende Gesellschafterin der Hamburger Agentur Impulspiloten GmbH, Autorin und Podcasterin („Good Life, Good Business“) – und bringt Bewegung und Wandel in Organisationsentwicklungsprozesse.

Seit 2018 ist sie im Vorstand der German Speakers Association, seit 2024 auch Studienleiterin der GSA Akademie.
Vaya lebt mit ihrer Familie inkl. zwei Pubertieren in Kitzbühel – zwischen Bergen, Büchern und Bühnen.

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